Der Brotprofessor – Prof. Dr. M. P. Neumann

Die wissenschaftlichen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts erreichten fast alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche Europas und Nordamerikas. Davon waren natürlich auch der Bereich der Landwirtschaft und der damit unmittelbar zusammenhängende Getreideanbau betroffen. Ein Justus von Liebig war für die Untersuchung der chemischen und physikalischen Zusammenhänge der Böden und deren Beschaffenheit von großer Bedeutung. Damit war es aber nicht getan, denn in weiterer Folge wurde in Berlin im Jahre 1910 ein eigenes Institut, nämlich die Versuchungsanstalt für Getreideverarbeitung, gegründet. Diese wissenschaftliche Versuchsanstalt untersuchte die genaue Zusammensetzung der Getreidearten, und hier vor allem die Brotgetreidearten. Für die Qualität des Getreides und der Brotherstellung wurden genaueste wissenschaftliche Kriterien entwickelt, die es bisher noch nicht gegeben hat.
Und hier war von der ersten Stunde an ein Mann von großer Bedeutung, nämlich Prof. Dr. M. P. Neumann (1874 -1937). Der promovierte Chemiker wurde im Alter von nur 36 Jahren als Direktor für dieses Institut bestellt und wurde weit über die Grenzen hinaus durch seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen bekannt und berühmt. Seine Forschungen gingen weit über die lediglich wissenschaftlichen Erkenntnisse hinaus. Sein Ziel war es, dass der Bevölkerung Brotgetreide in ausreichendem Ausmaß zur Verfügung steht, um daraus ein besonders gut backfähiges Mehl zur Verfügung zu haben. Zum Brotgetreide zählt man bis in die Gegenwart Weizen und Roggen, weil nur aus diesen Getreidearten ein gut backfähiges Mehl gewonnen werden kann. In den letzten Jahrzehnten ist auch noch der Dinkel als backfähige Getreideart dazugekommen. Zu Zeiten eines Prof. Neumann war der Dinkel als Brotgetreideart unbedeutend und  großteils unbekannt.
Damit war aber sein wissenschaftlicher Drang nicht gestillt, denn in weiterer Folge beschäftigte er sich wissenschaftlich mit den chemischen und physikalischen Vorgängen bei der Brotherstellung. Auch in diesem Bereich wollte er lediglich sicherstellen, dass die Schwachstellen des Getreides bei der Brotherstellung erkannt und bestmöglich ausgeglichen werden. Allerdings war diese Erkenntnis auch die Geburtsstunde der Backhilfsmittel, die in der gegenwärtigen Zeit arg in die Kritik geraten sind. Dabei muss aber unbedingt erwähnt werden, dass die damaligen Backhilfsmittel nur die Gärung, die Teigkonsistenz unterstützten und die Dauer der Teigreife verkürzen sollten. Diese Arbeiten wurden natürlich auch politisch genutzt, weil es immer schon ein gesellschaftliches Grunderfordernis war und bleibt, die Bevölkerung ausreichend mit den Grundnahrungsmitteln, und damals vor allem mit Brot, zu versorgen, denn die Hungersnöte waren damals allgegenwärtig.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse machte man sich wirtschaftlich zu Nutze. In München wurde zum Beispiel die „Diamalt-Aktiengesellschaft“ gegründet, einer der bedeutendsten Backmittelhersteller Europas und auch später in Amerika eine Niederlassung hatte. Im Jahr 1939 gab es bereits 19 Diamalt Fabrigen weltweit. Die Jahrbücher dieser Gesellschaft bieten einen guten Überblick über die Entwicklung der Bäckerei und der Brotherstellung mit Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum 2. Weltkrieg. Diese Jahrbücher wurden den Bäckereiverbänden und auch den Bäckermeistern zur Verfügung gestellt. Wahrscheinlich nur solchen Bäckermeistern, die während des Jahres zum Kundenkreis gehörten. Und in diesen Jahrbüchern finden sich immer wieder wissenschaftliche Beiträge von Prof. Dr. Neumann zu verschiedenen Bereichen der Brotherstellung.
So schrieb er im 6. Jahrbuch im Jahre 1912 eine wissenschaftliche Arbeit über: „Was sind und zu welchem Zwecke braucht man eigentlich Backhilfsmittel“. In dieser Abhandlung bringt er ganz deutlich zum Ausdruck, dass die Aussage von Justus von Liebig vom jahrtausendealten Stillstand in der Bäckerei, überwunden sei, und dass man die oft schwierige Behandlung der Grundmaterialien mit Hilfe von Backhilfsmitteln gut in den Griff bekommen hat, und höchste Qualität des Gebäckes gewährleistet ist. Durchaus hohe Ansprüche, die uns aber zeigen, welchen Stellenwert das „tägliche“ Brot damals für die Bevölkerung hatte.
Schon im nächsten Jahr findet sich wiederum eine wissenschaftliche Abhandlung zum Thema die Auswirkungen der Zugabe von Diamalt, Protomalt und Risofarin. In diesem Zusammenhang wurden von der Abteilung Versuchs- und Lehrbäckerei am Institut für Getreideforschung Backversuche mit und ohne diese Backhilfsmitteln durchgeführt. Uns so folgten bis zu seinem Tod im Jahre 1936 noch mehre wissenschaftliche Abhandlungen zu diesem Themenbereich.
Besondere Berühmtheit erlangte Prof. Neumann durch die Erfindung der Backzahl. Die Erklärung und Beschreibung ist aus dem IREKTS-ABC der Bäckerei. IREKS/ARKADY war ein Institut für Bäckereiwissenschaft in Kulmbach/Hannover:

Backzahl nach Neumann Maßzahl für den Backwert eines Weizenmehles durch Erfassung der beiden wichtigsten Eigenschaften der Gebäckskrume. Die Backzahl errechnet sich nach der Formel: Volumenfaktor x Porenfaktor / 100. Darin sind der Volumenfaktor der zu 100 addierte halbe Überschuß des Gebäcksvolumens von 100 g Mehl über 400 cm3 und der Porenfaktor ein Maß für die Krumenlockerung entsprechend der Porentabelle nach Dallmann. Der Porenfaktor liegt bei genügendem Mehl über 75, bei gutem Mehl über 100 und kann auf 150 und mehr steigen.
Für fachunkundige Leser muss unbedingt erwähnt werden, dass die Backhilfsmittel früher lediglich eine unterstützende Funktion, einen großen volkswirtschaftlichen Nutzen hatten, und mit den gegenwärtigen Zusatzstoffen in keinster Weise mehr vergleichbar sind. Als Beispiel sei hier das Backhilfsmittel „Diamalt“ erwähnt. Das Diamalt ist ein Malzextrakt, welches den enzymatischen Abbau beschleunigt. Es würden die Bestandteile des Mehles ausreichen, allerdings in einer wesentlich längeren Zeitspanne und die Teiglockerung und die Gebäcksvolumen wären nicht so intensiv.

 

 

 

Um diese wissenschaftlichen Versuche durchzuführen mussten entsprechende Gerätschaften erfunden und entwicjkelt werden. Tierferstehend einiige Beispiele von Loborgeräten speziell für diese Zwecke:

ExtensographFarinographKleberauswaschmaschineFermentograph

 

Während sich  in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bereits in den Bereichen Metall- und Textilverarbeitung eine massive Mechanisierung bemerkbar machte, fristete die Brotherstellung noch ihr antikes bzw. mittelalterliches Dasein. Eingezwängt in die strengen Zunftordnungen und den sog. Weistümern der örtlichen Zuständigkeiten gab es nur wenig Spielraum. Nachdem das Bäckereigewerbe in den Städten ein Bedarfsgewerbe war, gab es eine Vielzahl von kleinen Bäckereien. Aus meiner Heimatstadt Innsbruck weiß ich zu berichten, dass es in manchen stark bevölkerten Straßen mehrere Bäckereien gleichzeitig gegeben hat. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es dann aber auch im Bereich der Getreidevermahlung und Brotherstellung  zu revolutionären Entwicklungen. Hauptverantwortlich dafür war einerseits die Gründung von wissenschaftlichen Instituten, und hier waren für die Brotherstellung vor allem die Getreideforschungsinstitute verantwortlich. Ab der zweiten Hälfte kam es dann zu großen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungen. Dabei ist wirtschaftlich die Phase der Gewerbefreiheit und sozial das Genossenschaftswesen von großer Bedeutung.


FermentographWaren es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch bescheidene Versuche, die Produktionsbedingungen in den Bäckereien zu verbessern, so entwickelten sich ab der 2. Hälfte beinahe revolutionäre Veränderungen in allen Bereichen der Brotherstellung. Besonders im Bereich der Backöfen und bei der Teigzubereitung kommt es zu ganz neuen technischen Errungenschaften. Der Backofen wird nicht mehr direkt (Erhitzung des Ofens mit Holz auf der Backfläche) sondern indirekt beheizt. Die Kohle verdrängt mehr und mehr das Holz als Brennmaterial. Die Kuppelbauweise der Backöfen wird abgelöst durch großräumigere Backflächen, wo durchgehend gebacken werden kann. In späterer Folge kann dann sogar auf zwei bzw. mehreren Etagen gebacken werden. Der Dampfbackofen war dann der Höhepunkt bei der technischen Entwicklung der Backöfen. Es waren mit Wasser gefüllte und verschweißte Rohre (Perkinson) die von der Feuerstelle ausgehend in den Backraum führten und so die Backfläche beheizten. Damit war der Beheizung des Backofens nicht mehr direkt mit der Ofenarbeit verbunden und somit eine weitere hygienische Verbesserung bei der Brotherstellung gewährleistet. Allerdings hatten diese Backöfen einen sehr großen Raumbedarf und waren für damalige Verhältnisse sehr teuer.

Nach Art der Wärmeerzeugung und -übertragung unterscheidet man verschiedene Typen:

Direkt beheizte Öfen:

a) Holzofen

b) Kohlenofen

Indirekt beheizte Öfen

a) Kanalofen

b) Dampfbackofen

c) Etagenofen - Zyklotherm- oder Volvothermofen

Nach der Art der Ofenbedienung unterscheidet man:

1. Einschießöfen

2. Auszugsöfen

3. Automatische Öfen - Autoofen, Turnusofen und Netzbandofen

Daneben gab es noch spiezelle Backöfen für die Schifffahrt und mobile Backöfen für das Militär.

 

 

Die schwere händische Arbeit der Teigzubereitung wird abgelöst durch Teigknetmaschinen, welche am Beginn noch händisch betrieben wurde, aber bereits eine körperliche Erleichterung darstellte. Mit der rasant zunehmenden Elektrifizierung kommt es dann zu elektrisch betriebenen Teigknetmaschinen.
Die Portionierung und Formgebung blieb vor allem im gewerblichen Bereich über viele Jahrzehnte noch händisch. Aber auch hier gab es Erleichterungen hauptsächlich im Bereich der Portionierung von Kleingebäck. Mit der Teigteilmaschine konnte ein großes Teigstück in 30/36/52 gleichgroße Teigstücke geteilt werden. Auch hier sollen tieferstehend einige Beispiele  zeigen, wie die Mechanik die Bäckerei immer mehr und mehr beeinflusste.

Kneten mit Schwungrad

 TeigteilmaschineKnetmaschine

Literaturliste:

19. Diamalt Buch, Herausgeber: Diamalt AG, München 13, Schließfach

Der junge Bäcker, Heiner Peter, Fachbuchverlag Dr. Pfannenberg&CO., Giessen

Ireks-ABC DER BÄCKEREI, Ireks/Arkady, Institute der Bäckereiwissenschaft, Kulmbach/Hannover

Das Bäckergewerbe, Guido Bretschneider, Verlag von Bernh. Friedr. Voigt, Leipzig

EINFACH

  • nur ein Grundrezept für viele verschiedene Brot- und Gebäcks Sorten
  • Fachwissen in Form einer „KLEINEN ROHSTOFFKUNDE“ und den „5 GOLDENEN BACKREGELN“
  • alle Rezepte sind auf die häuslichen Möglichkeiten (Backrohr) abgestimmt

SICHER

  • mit nur 5 Regeln („DIE 5 GOLDENEN BACKREGELN“) zum sicheren Backerfolg
  • Grundrezept gilt für alle Brot-/Gebäcksorten, das schafft Routine und Sicherheit
  • Sie wissen was im Brot drin ist und welche Zutaten verwendet wurden.

GESUND

  • Sie bestimmen den ernährungsphysiologischen Wert der Zutaten
  • Sie bestimmen den Anteil von Vollkornmehlen und Bioprodukten
  • Keine Zusatz- und Konservierungsstoffe

PERSÖNLICH

  • Sie bestimmen über die Qualität (z.B. Biogetreide) der Zutaten;
  • Sie bestimmen die Geschmacksrichtung durch Zugabe von besonderen Zutaten (Gewürze, Samen, Saaten usw.)
  • Sie können, ausgehend vom Grundrezept, neue Brotrezepte kreieren

Meine Person

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Mag. Karl Eller vulgo Tiroler Eigenbrötler
Bäckerlehre, 3 Gesellenjahre, Abendschule, Matura,
Lehramtsprüfung, Studium der Geschichte und Volkskunde,
Referent und Kursleiter zu folgenden Themen:
Brotgeschichte allgemein, Brotgeschichte von Tirol, Brot und
religiöse Verehrungsrituale, Alte Tiroler Brotrezepte, Brot der
Tiroler Bergbauern, Brotbacken einfach gemacht usw.

 

 

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